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Wanderwege durch die Westkarpaten

Fundgrube für Naturfreunde: das Siebenbürgische Erzgebirge

von K. Konrad

Kein Zweifel: Das Siebenbürgische Erzgebirge, diese reizvolle, noch immer wenig bekannte Bergwelt zwischen Arieş und Ampoi, ist bislang in den Reiseführern zu kurz gekommen. Ein von zahlreichen Schluchten und eigenartigen Felsgruppen geprägtes Karstrelief, aber auch liebliche Almen mit ihren Streusiedlungen fordern zum Wandern heraus.
Im Folgenden möchten wir dem auch an kulturellen Sehenswürdigkeiten interessierten Naturfreund mehrere Exkursionsrouten fürs Wochenende oder – warum nicht? – für einige erlebnisreiche Urlaubstage vorschlagen.

Das Siebenbürgische Erzgebirge liegt im südöstlichen Teil der Westkarpaten, jenem seit jeher von rumänischen Bergbauern, den sogenannten Motzen, bewohnten Landstrich. Bereits im Altertum wurden hier Edelmetalle geschürft. Die Goldbergwerke von Alburnus Major (Roşia Montană), Ampelum (Zlatna) uns Alburnus Minor (Abrud), wo schon in vorrömischer Zeit die Daker Gold gewonnen hatten, waren der Alten Welt ein Begriff. Überdies wurde auch am Arieş, dem „Goldenen Fluss“ der Westkarpaten, eifrig Goldwäscherei betrieben: „Hier fleust pur lauter Gold. Geringe Bawren wissen / Mit Waschen gut bescheidt, und lesen da den Sand / Der auch mit seiner stärck’ erobert Leut’ und Land!“ lesen wir in einem Briefgedicht von Martin Opitz, der 1621 – 1622 in dieser Gegend weilte.
Unsere Wandervorschläge berücksichtigen nur den Ostrand des Siebenbürgischen Erzgebirges, die Trascăuer Berge. Sie haben hauptsächlich Alba Iulia, an der Europastraße E 15 A gelegen, zum Ausgangspunkt. Freilich lässt sich das Trascău-Gebirge auch von Turda oder Abrud aus angehen. Wer sich für diese Variante entscheidet, kann das malerische Arieş-Tal mit der lokalen Schmalspurbahn, der „mocăniţă“, durchfaren (1997 Betrieb eingestellt. F. K.).

1. Eine erste Exkursionsroute führt uns, ausgehend von Alba Iulia, das Ampoi-Tal entlang. Nach wenigen Minuten Fahrt erblicken wir rechterhand der Straße die Pietrile Ampoiţei, zwei glatt gewaschene weiße Kalkfelsen, die sich gebieterisch vom bislang monotonen Landschaftsbild abheben. Ein kurzer Abstecher zu den beiden Ampoiţa-Felsen lohnt sich, zumal sie aufgrund ihrer geologischen Besonderheit unter Naturschutz gestellt wurden. Landschaftlich reizvoll beginnt unsere Strecke ab Poiana Ampoiţei zu werden zu werden: Von hier weiter bis Abrud zeigen sich die Westkarpaten mit ihrer mildgrünen Berglandschaft von ihrer besten Seite. Allerdings wollen wir diesmal nur bis zur Ortschaft Feneş (28 km von Alba Iulia) fahren, um von hier nach rechts abzubiegen, den Feneş-Bach talaufwärts.
Zu Fuß geht’s da, falls Zeit vorhanden, an Mühlen und Wirbelkörben vorbei, in deren schäumenden Gebirgswasser die frisch gewebten Wollkotzen durcheinandergewirbelt werden. Nach einigen Kilometer Forststraße sind wir im Reich der Forellenfischer und haben auch bald – 8 km oberhalb von Feneş – die spektakuläre Felsgruppe der Piatra Caprei (Ziegenstein) vor uns. In nächster Nähe dieser schwindelerregenden Kalksteinblöcke befindet sich ein Forsthaus, in dem auch übernachtet werden kann. Ein Vorschlag für Wanderfreunde: in 2 – 3 Stunden lässt sich von hier aus die Dâmbău-Spitze (1369 m), die höchste Erhebung des Trascău-Gebirges, besteigen, von wo man einen weitreichenden Ausblick auf die umliegenden Berge hat, u. a. auf die berühmten Basaltfelsen der Detunata. Es lohnt sich, den Weg entlang des sich malerisch durch die Heuwiesen schlängelnden Feneş-Baches bis zum Weiler Feneşasa (5 km) fortzusetzen; vor allem Zeltlustige seien auf diese Wegstrecke aufmerksam gemacht. Überdies kann der nicht Autogebundene in Feneşasa den unmarkierten Fußpfad nach Intregalde, einer touristisch ergiebigen Gegend, einschlagen (3 Stunden) oder auf den Băieşu-Gipfel (1290 m) hinauf, um von dort dann zum Ighiel-See abzusteigen.

2. Inmitten eines schönen Tales erstreckt sich, 924 m hoch gelegen, der Ighiel-See, der einzige natürliche See größeren Ausmaßes in den Westkarpaten (5,26 ha groß, 9 m tief). Er hat sich auf dem Boden einer alten Doline oder – was wahrscheinlicher – nach einem Erdrutsch gebildet und beansprucht Seltenheitswert: in Karstgebieten sind Seen rar. In seinem klaren blaugrünen Wasser tummelt sich die Regenbogenforelle, während im angrenzenden Buchenwald ein Gehege für Damhirsch und den hier eingebürgerten Mufflon angelegt wurde. Aufgrund ihrer botanischen und faunistischen Kostbarkeiten wurde die Gegend um den Ighiel-See zum Naturschutzgebiet erklärt. Der Ighiel-See ist auch mit dem Auto erreichbar: Alba Iulia – Ighiu (Asphalt, 11 km), Ighiu – Ighiel-See (unasphaltiert, 17 km). Der geschichtlich Interessierte sei darauf hingewiesen, dass die Gemeinden Ighiu und das 5 km entfernte Cricău bereits im Jahr 1206 urkundlich erwähnt wurden und zu den ältesten Siedlungen zählen.

3. Auch die Piatra Craivii (1078 m) ist einen Sonntagsausflug für automüde Städter wert. Im Frühjahr etwa, wenn die Küchenschelle und Schlüsselblume auf den grasigen Hängen rund um den massiv aufragenden Kalksteinblock der Piatra Craivii in Blüte stehen, kann hier ein Spaziergang schon allein des Rundblicks wegen zum Erlebnis werden. Doch auch im Herbst, zur Zeit der Weinlese, ist diese Gegend anziehend. Weißweine aus den Weinkellern von Şard, Ţelna, Bucerdea Vinoasă und Cricău sind – zumal unter Kennern – ein Begriff.
Der für seine auffallende Gestalt auch „Zuckerhut“ genannte Berg bewahrt noch heute die Spuren einer bedeutenden dakischen Festung aus der Zeit vor der römischen Eroberung (2. Jh. v. u. Z. – 1. Jh. u. Z.). Der „Zuckerhut“ ist auf einer leidlichen Forststraße von Cricău aus zu erreichen (8 km), zuzüglich einer Fußwanderung von etwa einer Stunde bis zur Spitze.

4. Zu den anziehenden Reisezielen des Trascău-Gebirges gehört die Intregalde-Klamm, 23 km von Galda de Jos gelegen. Hier wird der Karstcharakter des Siebenbürgischen Erzgebirges evident: Klamm reiht sich an Klamm, und es ist wahrlich nicht wenig, was der Galda-Bach hier an Erosionsarbeit geleistet hat. Neben steil abfallenden Felswänden gibt es – besonders auf der linken Seite – beeindruckende Kalksteintürme und –arkaden sowie einige kleinere Höhlen. Freilich kann nicht jedem, obwohl sehr reizvoll, eine Kletterei in diesem gewaltigen Steingarten zugemutet werden.
Einer floristischen Sensation wegen wurde das Klammgebiet unter Naturschutz gestellt: eine gewissermaßen endemische Spielart des Edelweiß (Leontopodium alpinum f. intregaldense) hat einen Berghang rechterhand des Galda-Baches noch unterhalb der 600-Meter-Grenze besiedelt, was für diese Alpenpflanze einen europäischen Tiefenrekord darstellt.
Weniger spektakulär, doch ebenfalls interessant, ist die Galde-Klamm, an deren erster Stelle beidseitig rinnenförmige Einschnitte in den Stein gemeißelt sind: die verbliebenen Spuren einer Talsperre aus der Zeit des Bauernaufstandes unter Horia, Clocşa und Crişan (1784), mit deren Hilfe die Aufständischen ein weiteres Vordringen der kaiserlichen Truppen verhindern konnten.
Wer eine Übernachtung eingeplant hat, kann die gut bewirtschaftete Intregalde-Schutzhütte aufsuchen, um am nächsten Morgen seinen Weg – je nach Wahl – entweder zum schon erwähnten Ighiel-See (über das Ciumerna-Karstplateau, 3 – 4 Stunden) oder zur Râmeţi- Klamm über Cristeşti bzw. über Tecşeşti, an der Piatra Cetii vorbei, fortzusetzen (4 Stunden).

5. Die Piatra Cetii, wegen ihrer suggestiven Profillinie auch „Elefantenrücken“ benannt, erscheint dem Betrachter als eine wahre Felsbastion, deren Einschnitte sogar für Kletterer schwer überwindbar sind. Um auf den eigentlichen Rücken des „Elefanten“ zu gelangen, empfiehlt sich der Aufstieg von oberhalb des Râmeţi-Klosters. Wir folgen dem serpentinenreichen Waldweg bis Tecşeşti, einer idyllisch gelegenen Motzensiedlung, von wo uns die Einheimischen den Weg bis zur Spitze (1233 m, etwa 3 Stunden) weisen. Von hier kann man dann in 2 – 3 Stunden nach Intregalde absteigen, eine Wanderung, die nach Möglichkeit zwischen dem 20. und 27. Mai anzusetzen ist: die Blütezeit der unzähligen wild wachsenden Narzissen, welche die Bergwiesen um die Piatra Cetii, insbesondere den Muntele Cetii, schmücken.
Aber auch von Galda de Sus (in Richtung Răicani) oder Poiana Galdei (am Pârâul Cailor entlang) lässt sich der „Elefantenrücken“ angehen, allerdings bleibt man der unmarkierten Pfade wegen auf die Informationen der Ortskundigen angewiesen.
Nicht uninteressant, zumal für den geologisch Interessierten, sind die „Römischen Bäder“ („Băile Romane“), eine Folge von Strudeltöpfen, die der Cetea-Bach im weichen Kalkstein ausgewaschen hat. Am leichtesten ist dieses Karstphänomen auf der Landstraße von Benic über das Dorf Cetea erreichbar (10 km).

6. Die Râmeţi-Klamm stellt zweifellos die touristische Hauptattraktion des Trascău-Gebirges dar.
Als Ausgangspunkt für erlebnisreiche Tagesausflüge wird am besten das Râmeţi-Kloster gewählt, wo auch Touristen untergebracht werden können (eine neue Schutzhütte befindet sich unweit vom Bau). Wer Muße hat, sollte unbedingt diesen aus dem 14. Jh. stammenden Sakralbau besichtigen.
Schon wenige hundert Meter nachdem wir das Kloster zurückgelassen haben, beginnt sich das Tal zu schließen: Zwei gewaltige Felsnasen markieren den ersten Durchbruch des Râmeţi-Baches, die Cheia Mănăstirii. Sie ist gleichsam ein Vorgeschmack der eigentlichen Râmeţi-Klamm, die erst 5 km flussaufwärts beginnt: bedrohlich aneinander gerückte, teils überhängende Felswände mit einem Höhenunterschied von über 600 m, an deren Fuß im Düsteren der Râmeţ-Bach rauscht – wer die Klamm passieren will, muss den Weg durchs Wasser wählen, das mitunter bis zur Gürtellinie reicht. Nachdem man etwa einen Kilometer bachaufwärts watend vorgedrungen ist, an bizarren Auswaschungen entlang, unter Portalen hindurch oder an Felsblöcken vorbei, öffnet sich die Schlucht, um allmählich den Blick auf die strohgedeckten Motzenhäuschen des Weilers Cheia freizugeben.
Wem das reichlich feuchte Stein-zu-Stein-Hüpfen leid geworden ist, kann als Rückwegvariante den Pfad über den linken Kamm der Schlucht wählen (1 ½ Stunden), zwar weniger spektakulär als der „Wasserweg“, doch geeignet, das Bild dieser monumentalen Klamm zu vervollständigen.
Anfahrtsmöglichkeiten zum Râmeţ-Kloster gibt es von Teiuş über Geoagiu de Sus (20 km, teilweise unasphaltiert) oder von Aiud bis zum Dorfe Râmeţ (22 km), was einen zusätzlich fast einstündigen Fußmarsch bis zum Kloster erfordert.

7. Einen besonders für Autotouristen lohnenden Wochenendausflug stellt die Strecke Aiud – Buru dar. Dieses 28 km lange Asphaltband bringt einem viele Schönheiten des Siebenbürgischen Erzgebirges näher.
Etwa 15 km nachdem wir von Aiud abgezweigt sind, erheben sich plötzlich zu beiden Seiten der Straße die schroffen Kalksteinwände der Aiud- oder Vălişoara-Klamm. Eine kurze Rast beim „Popasul Vălişoara“ (Campinghäuschen als Unterkunftsmöglichkeiten) lässt sich gut mit einer Fußwanderung durch die nahegelegene Klamm verbinden. Wir setzen unseren Weg fort, um bald danach die Silhouetten einer pittoresken Burgruine in der späten Nachmittagssonne zu erblicken. Es ist die Burg von Colţeşti, eine nach dem Mongoleneinfall von 1241 errichtete Adelsburg. Besonders gut hat sich der Bergfried erhalten, weniger gut die in Verlängerung der steilen Bergkuppe gebaute Ringmauer.
Nach zwei weiteren zwei Kilometern nimmt das Landschaftsbild wildromantische Züge an. Wir befinden uns in Rimetea, einer alten, am Fuße steil aufragender Felswände gelegenen Bergwerksiedlung, wo wir uns nach einer Übernachtungsmöglichkeit umsehen, um am nächsten Morgen einem beeindruckenden Sonnenaufgang beizuwohnen. Die Gliederung des vorgelagerten Felsgrates nämlich lässt die Sonne, einmal aufgegangen, hinter dem Berg wieder verschwinden, um sie dann etwas später dem Blick wieder freizugeben. Kein Zweifel: in Rimetea geht die Sonne zweimal auf.
Anschließend können die Colţii Trascăului, auch Piatra Secuiului genannt, bestiegen werden, von wo man einen schönen Blick auf Rimetea und die Burgreste von Colţeşti hat. Ein Spaziergang auf dem 1128 m hoch gelegenen Karstplateau nimmt mit Auf- und Abstieg etwa 3 Stunden in Anspruch.
Die Gemeinde Rimetea besitzt eine bewegte Vergangenheit. Der reichen Erzvorkommen wegen wurde sie bereits im 13. Jh. von Bergleuten besiedelt. Wer sich über die hiesigen Handwerke, vor allem über die traditionsreiche Eisenverarbeitung informieren möchte, sollte das kleine Heimatmuseum besuchen.

8. Die vorhin erwähnte Gemeinde Colţeşti eignet sich, gleichermaßen wie das in der Nähe gelegene Dorf Izvoarele, als Ausgangspunkt für eine 4stündige Wanderung zum Bedeleu-Massiv, einer weiteren, nicht reizlosen Karstlandschaft des Trascău-Gebirges. Hier kann man, unweit der Bedeleu-Spitze (1227 m), die Poarta Zmeilor (Drachenfenster), ein natürliches Fenster besichtigen, der ehemalige Eingang zu einer in der Nähe befindlichen Höhle. Leider sind diese Ausflugsziele für den Ortsfremden nur schwer auffindbar.
Schneller freilich können wir den Bedeleu vom Arieş-Tal aus besteigen, das er mit seinen abschüssigen, Hunderte Meter hohen Felswänden dominiert. Diese Wanderung lässt sich mühelos in etwa zweieinhalb Stunden machen, wenn man als Ausgangspunkt die Gemeinde Lunca Arieşului wählt.
Von Sălciua aus – einer ebenfalls am Arieş gelegenen Ortschaft – erreicht man nach einem einstündigen Fußweg das Morilor-Tal entlang eine der imposantesten Sehenswürdigkeiten der Trascăuer Berge: die Höhle Huda lui Papară, durch deren riesiges, über 30 m hohes Portal der reißende Höhlenfluss ins Freie tritt.
Die 2022 m lange Wasserhöhle ist unter schwierigen Bedingungen und nur mit Spezialausrüstung befahrbar. Wir können allerdings rechterhand der Höhle einen Pfad in den nahegelegenen Bergsattel hochsteigen, von wo man in 20 Minuten zur Eintrittsstelle des genannten Höhlenflusses gelangt. Diese eindrucksvolle Karststelle ist unter dem Namen Vânătara bekannt.

Anmerkung: Vollständigkeitshalber müssten in unserer Aufzählung auch die Cheile Turzii und die Turenier Klamm angeführt werden. Diese Sehenswürdigkeiten des Trascău-Gebirges wurden in der touristischen Literatur schon ausführlich behandelt (Vgl. „Komm mit“ 73 und 77).

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 80, S. 161 – 169)

Seite Bildunterschrift
 
161 Ein Kleinod des Siebenbürgischen Erzgebirges: der Ighiel-See.
163 Eine der ältesten siebenbürgischen Wehranlagen: die Burg von Colţeşti.
164 Felstor in der Intregalde-Klamm.
165 Kartenskizze
168 Alte und neue Motzenhäuser auf dem Weg zur Huda-lui-Papară-Höhle.
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