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Immer wieder in die Prolas

Vier Ferientage im Banater Karst

von Eduard Hegyesi

Das Reservat der Karasch-Klamm ist nicht nur wegen der zahlreichen kleinen Wasserfälle, tiefen Schluchten, Kessel und Karstsprudel interessant, sondern auch wegen der typisch mediterranen Vegetation – wobei der Flieder vorherrscht – und der vielen Höhlen und Höhlensysteme, die jedem Speläologen das Herz höher schlagen lassen. Aber auch die Fauna ist reichhaltig. Rehe und Wildschweine sind keine Seltenheit und auch der Luchs macht sich in letzter Zeit immer stärker bemerkbar. In dem grünlich-klaren Wasser des Baches kann man sein Anglerglück (Forellen) versuchen. Aber Vorsicht!, auf den Seinen am Bachufer sonnen sich Vipern, darunter auch die gefährliche Hornviper.
Ausgangspunkt einer Wanderung durch die Karasch-Klamm ist gewöhnlich die Gemeinde Kraschowa, die über Reschitza oder Anina zu erreichen ist. Wer gut bei Fuß ist, kann in zwei bis zweieinhalb Stunden von Reschitza aus dem Weg schaffen. Es lohnt sich, denn vom Pateşan-Hügel hat man einen schönen Ausblick: im Osten auf den Semenik mit der Gozna-Spitze (1448 m), im Süden auf die Hügel um Gârlişte und Anina, gegen Nordnordost treten die Ponorer Berge mit ihrer 801 m hohen Höchsterhebung in Erscheinung, im Norden die Domaner, im Westen die Nermeter Hügel und schließlich im Nordwesten der 622 m hohe Bucitu- (auch Ghika- oder Chica-) Gipfel.
Auf alle Fälle muss der große Kraschowaer Straßenviadukt unterquert werden. Man tut es am besten am linken Ufer der Karasch, wo ein gut ausgetretener Pfad klammaufwärts führt. Hier ist es auch ratsam, die Wasservorräte an einer der beiden Quellen aufzufrischen. Unweit der Quellen, etwa 20 Meter über dem Bachbett, erblicken wir eine der ersten großen Höhlen der Karasch-Klamm, die Văleaga, die anscheinend mit der „Peştera de după Cârşă“ verbunden ist. Kaum 20 Minuten flussauf stößt man am rechten Ufer auf den Eingang zur Fledermaus-Höhle (Peştera Liliecilor), worauf der Pfad immer enger – hier ist er schon in den Kalkstein gehauen –, das Wasser immer schwärzer und tiefer wird und die Schluchtwände immer steiler emporragen. Hoch oben über dem steilen linken Hang erkennt man die Ruinen der Kraschower – oder Prolaser – Burg. Nun zieht der Bach eine große Schleife (in der Nähe befindet sich auch die Prolaser Höhle), worauf das Tal sanfter, breiter wird. Nach ungefähr zwei Wanderstunden erblicken wir hoch oben links die scharfen Zacken der Pasac-Spitze (592 m). Es ist ein schöner Aussichtspunkt, der aber aus der Schlucht nicht (oder nur für erfahrene Kletterer) erreichbar ist. Eine letzte Rechtsbiegung der Karasch, und wir sind auf der lieblichen Prolas-Wiese angekommen, wo der Bach von zwei Kabeln überspannt ist, die den Einheimischen als Steg dienen, wenn sie zu ihren Sommerunterkünften und Herden gehen. Noch fünf Minuten bachauf, dann stehen wir auf einer wie zum Zelten geschaffenen Wiese. Hier wollen wir für die nächsten Tage unser Basislager aufschlagen.

Zu den Ţolosu-Karstsprudeln

Der für diesen Tag vorgesehene Wanderabschnitt setzt einige Erfahrung voraus. Nicht wegen der Länge der Trasse – hin und zurück benötigt man höchstens sechs Stunden –, sondern wegen dem schwer erkennbaren und schwer zugänglichen Pfad. Auf keinen Fall vergessen, Wasser mitzunehmen.
In der Morgenkühle geht es karaschaufwärts. Der Pfad ist anfangs in die ungastlichen Schluchtwände gehauen, die sich vertikal und auch überhängend über die Karasch beugen. Sie sind mehr als 100 Meter hoch. Tief unter uns scheint das pechschwarze Wasser kaum zu fließen. Wir befinden uns bei den „căldări“, den „Kesseln“. Dahinter gehen die Schluchtwände leicht auseinander, verlieren jedoch kaum an Höhe und Bedrohlichkeit. Der Bach schlängelt sich zwischen härteren Kalksteintürmen. Der Pfad ist an einigen Stellen unterhöhlt, das Gestein brüchig und bröcklig. Äußerste Vorsicht ist geboten. Etwa 50 Minuten hinter den Kesseln verliert sich der Pfad. Die Klamm biegt hier nach rechts, kann aber nicht begangen werden.
Zwischen Geröll ist jedoch ein anderer Pfad erkennbar, der zuerst leicht abwärts führt und nach etwa 15 Meter einen Hang hochklettert. Im Hochsommer und im Herbst ist es ratsam, vorsichtig zur Karasch hinunterzusteigen und sie an einer zugänglichen Stelle zu durchqueren – immer den Stock in der Hand und die Tiefen auslotend, denn der Bach ist voller Tücken! (An oder nach Regentagen sollte man ihn womöglich meiden!) Am rechten Ufer taucht nach einigen Metern ein schmales Bachbett auf, das nur selten Wasser führt und in die Karasch mündet. Es ist das Bett des Ţolosu-Baches, der aus der gleichnamigen Höhle kommt und auf seinem Weg zur Karasch im Land einzigartige Rundkessel ausgewaschen hat, die auch unser Ziel sind. Bei der Einmündung in die Karasch steht ein eigenartig geformter Fels, den wir ersteigen müssen – was gar nicht leicht ist. Oben angekommen, folgen wir einem etwas schwer erkennbaren Pfad und erblicken bald rechts das eben verlassene Karasch-Bett und links den ersten der Kessel. Im Frühjahr sind die Kessel voller Wasser und der Ţolosu-Bach verbindet sie miteinander. Nun wird ausführlich gerastet und gegessen. Bis zum Aufbruch bleibt auch genügend Zeit, um die Umgebung auszukundschaften.
Es gibt zwei Varianten für den Rückweg: Auf demselben Weg, auf dem wir gekommen sind, oder weiterwandern und auf einem Umweg den Zeltplatz erreichen. Die zweite Variante ist nur erfahrenen Bergwanderern zu empfehlen. Wir folgen ihr. Es geht immer die Felsgruppe entlang. Links reihen sich die Ţolosu-Kessel aneinander. Wir halten uns immer auf dem von halsbrecherischen Abhängen flankierten Felsgrat. Der Pfad ist bald nicht mehr sichtbar, der Weg kann aber kaum verfehlt werden. Die ganze Zeit ist rechts die Karasch-Klamm zu sehen, links taucht bald eine Kalkwand auf, an deren Fuß der Eingang der Ţolosu-Höhle liegt. Äußerste Vorsicht ist bei ihrem Besuch geraten. Zur Regenzeit oder bei Platzregen wird ihr Eingang zum Siphon verschlossen!
Folgen wir weiter dem Felsgrat, so sind wir nach 45 Minuten hinter den Ţolosu-Kesseln in einem Wäldchen (Flieder, Kornelkirsche) und nach zehn Minuten auf den Heuwiesen der Kraschowäner, in deren Mitte einsam eine alte Tanne steht. Als Orientierung geht es in NW-Richtung der steinernen Mauer entlang, bis wir die Markierung „blaues Band“ erreichen, die vom Semenik über Crivaia und die Komarnik-Höhle zur Prolas führt. Wir schreiten auf dem jetzt gut sichtbaren Pfad nach links weiter und stehen bald auf der Ţolosu-Spitze und auf dem Ţolosu-Plateau. Neuerliche Rastpause. An einer Sennhütte vorbei geht es dann ziemlich steil ins Karasch-Tal zurück und zu unserem Zelt.

Zur Komarnik-Höhle

Der dritte Tag gilt der Besichtigung einer der repräsentativsten Höhlen des Banater Karsts: Der Komarnik-Höhle. Sie ist eine der längsten Höhlen des Landes, und sorgt immer wieder für (auch unangenehme) Überraschungen, wie es jüngst Forschungen der Reschitzaer „Exploratorii“-Amateurspeläologen bewiesen. Aber nicht der Erforschung ihrer Geheimnisse gilt unser Besuch. Wir wollten sie in Begleitung eines Höhlenführers kennenlernen. Allerdings muss man folgendes wissen: Der Höhlenführer wohnt in Iabalcea, die Höhlenführungen finden um 9, um 12 und um 15 Uhr statt und dauern etwa zweieinhalb Stunden. Montags und freitags ist die Höhle geschlossen. Von der Prolas-Wiese, wo unser Zelt steht, bis zur Komarnik-Höhle sind es zweieinhalb bis drei Stunden Wanderung. Der Tag wird also voll ausgefüllt sein.
Vom Zeltplatz geht es anfangs bachabwärts bis zu den Kabeln, die die Karasch überspannen. Wir turnen hinüber und folgen dem markierten Pfad, der hier beginnt. Der Pfad führt ziemlich steil bergan, an einer Sennhütte vorbei durch Wald zu den Heuwiesen und dem schon bekannten Kirschbaum mit der Markierung blaues Band. Es folgt das Ţolosu-Plateau. An der Ecke der Steinmauer biegen wir links an den aufgehäuften Zaunsteinen bis zum Karrenweg, der in den Feldweg nach Ibalcea mündet. Hier orientieren wir uns entweder nach dem Pfeil, der, wenn noch stehend, Richtung Komarnik zeigt, oder wir gehen einfach nach rechts und sind nach etwa 15 Minuten am Ende des Weges. Durch einen Obstgarten (Pflaumen), immer dem blauen Band folgend, wandern wir weiter, beschreiten sodann ein Waldstück, in dem der Pfad leicht absteigend verschwindet. Keine Bange, denn bald sind wir wieder auf einer Wiese, der Poiana Stâncoasă, die zum Iabalcea-Plateau gehört und dazu auch einen schönen Ausblick auf die Hügel- und Berglandschaft bietet. Hier, bei den drei alten Fichten, ist auch die Grabstätte des Försters Moser, der sein ganzes Leben in diesem Gebiet verbracht hat. Es ist ein schöner Aussichtspunkt, und die Fichten laden zur Rast ein.
Zwischen Dolinen geht es sanft abwärts durch ein Waldstück, das nach höchstens 15 Minuten, im Tal des Topliţa-Baches, verlassen wird. Wir überqueren den Bach, schreiten rechts am Forsthaus Komarnik, wo es auch eine Forschungseinrichtung der Speläologen gibt, vorbei, dann den alten Forstweg entlang, der von Reschitza nach Anina führt. Ihm folgen wir bis zu einer mauerumfassten Quelle, lassen diese rechts zurück, überqueren den Komarnik-Bach und sind nach nur wenigen Schritten beim Ponicova-Bach, der in der Komarnik-Höhle entspringt. Beim Holzhäuschen warten wir auf den Höhlenführer.
Steht uns bis zur nächsten Höhlenführung etwas Zeit zur Verfügung, lohnt es sich, zum Forsthaus Naveşu Mare zu wandern, um die Sequoia-gigantaea-Pflanzungen zu bewundern, jenen kalifornischen Riesenbaum, dem das Klima im Banater Karst anscheinend behagt. Der 4 km lange Weg (auf dem Forstweg) führt durch ein altes und urwüchsiges Waldstück.
Nach dem Höhlenbesuch ist eine halbstündige Rast angebracht, wonach wir auf demselben Weg zurückkehren, auf dem wir gekommen sind.

Pasac-Gipfel oder Prolas-Burg

Für den letzten Wandertag stehen uns zwei Varianten zur Auswahl. Bis die Entscheidung fällt, gilt es erst, ein obligates Wegstück zurückzulegen.
Wir verlassen unseren Zeltplatz bachabwärts bis zu den Kabeln, auf denen wir die Karasch überqueren, um an ihrem rechten Ufer weiterzuwandern. Es geht talwärts bis zur ersten Linksschleife des Baches, wo der Pfad nach rechts bergan führt. Im bald folgenden Waldstück ein anderer Pfad, der von den Herdenunterkünften der Einheimischen kommt und die obere Schluchtkante entlang zur Prolaser Burg führt. Wir folgen diesem Pfad. Wenn wir das Waldstück verlassen, liegt weit unten das Panorama der Prolas-Schlucht. Der Pfad macht eine leichte Rechtsbiegung, und bald treffen wir auf einen Hügelkamm, der vom 592 Meter hohen Pasac-Gipfel bis ins Tal führt. Hier müssen wir uns entscheiden, welcher Variante wir folgen wollen.
Gehen wir nämlich den Hügelkamm bergan, sind wir in einer halben Stunde am Pasac-Gipfel. Beim Triangulationspunkt auf der Hügelspitze bietet sich ein wunderschöner Ausblick: Im Nordosten die Gemeinde Iabalcea und als Verlängerung, in der Ferne, die Ponorer Hügel mit ihrer Höchsterhebung von 801 Meter, im Nordwesten der schon eingangs erwähnte Pateşan-Gipfel, im Osten der Semenik, im Südosten, unserer weiteren Wanderrichtung, das Iabalcea-Plateau und im Süden dann die Hügelkette des Socolovăţ. Wir schreiten in der genannten Richtung weiter, passieren einen kleinen künstlichen See – Viehtränke – und folgen immer der oberen Kante der Schlucht in südlicher Richtung. Bald stoßen wir wieder auf das Blaue Band und folgen ihm, bis die einsam stehende Tanne in Sicht kommt, die wir bereits beschrieben haben. Wir schreiten auf sie zu und gehen etwas später an einigen alten Fichten und Nussbäumen vorbei, wobei wir ständig die Schlucht im Auge behalten. Beim Stamm eines alten, vertrockneten Nussbaums, wo die Heuwiesen von Farnen überwuchert sind, stoßen wir auf zwei steile Pfade, die aus der Schlucht herauf führen, die wir – mit größter Vorsicht! – als Abstieg benutzen. Wem das zu schwierig ist – und das werden nicht wenige an Ort und Stelle feststellen, der soll ruhig auf demselben Weg zurück, auf dem er gekommen ist, oder die bereits bekannte Markierung in die Prolas benutzen.
Die zweite Variante führt den Pfad entlang, der von den Sommerunterkünften kommt, an einer Sennhütte vorbei und leicht bergan. Rechter Hand erhebt sich eine Kalkwand. Man schreitet die Obstpflanzung (Pflaumen) entlang und steigt bis unter die Hochspannungsleitung auf dem Hügelkamm, wo drei Pfeiler als gute Orientierung dienen. In Richtung Kraschowa, der Schlucht entlang, sieht man am rechten Ufer der Karasch eine Erhebung. Es ist der Berg mit der Prolas-Burg. In etwa 20 Minuten ist er erreicht. Der noch gut erhaltene Festungsgraben muss an einer weniger steilen Stelle durchquert werden. Im Weichbild der mittelalterlichen Burg muss man immer zuerst gut schauen, wohin man tritt, denn zeitweilig wimmelt es von Vipern. Von oben hat man eine wunderbare Aussicht auf das Tal.
Wandert man nun weiter gegen Westen, über eine Heuwiese und ein Plateau voller Steine, ist man bald oberhalb von Kraschowa und dem Straßenviadukt über die Karasch, auf der Kreisstraße Reschitza – Anina, wo vor vier Tagen die Wanderung begonnen hat.

Anfahrt nach Reschitza

Eisenbahn. Bahnhof Reschitza: Züge aus Richtung Bukarest, Craiova, Dobreta-Turnu Severin über Karansebesch oder aus Richtung Arad über Temeswar (mit Lokalzug weiter).
Auto. E 70, DN 6 aus Richtung Drobeta-Turnu Severin. DN 68 aus Richtung Simeria und Hatzeg bis Karansebesch, dann auf DN 58 in Richtung Reschitza abzweigen; E 671 aus Richtung Oradea und Arad bis Temeswar auf E 70, DN 59 weiter bis Voitec und hier auf 58 B in Richtung Reschitza weiterfahren.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 88, S. 84 – 93)

Seite Bildunterschrift
 
86 Auf den Almen nahe der Kraschowaer-Burg begegnet man vom Frühling bis Herbst Schafherden. Die Hirten sind freundliche Menschen und laden den Wanderer ein von dem herrlichen Frischkäse zu kosten.
87 Ein wildromantischer Wanderweg: Der in die Felswand gehauene Reitsteig in der Prolas-Klamm.
88 Das eiserne Schaufelrad einer Wassermühle bei Reschitza.
89 Im Hochsommer und im Herbst ist es ratsam die Karasch nur an zugänglichen Stellen zu durchqueren – immer den Stock in der Hand und die Tiefen auslotend, denn der Bach ist voller Tücken. An oder nach Regentagen sollte man ihn womöglich meiden.
91 Eine kraschowänische Braut wird für die Hochzeit zurechtgeputzt.
92 Bei einem der Schafpferche im Banater Karstgebiet: einmal im Jahr – Anfang Mai, melkt der Besitzer seine Schafe – so wird sein Anteil Käse errechnet.
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