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Skiwandern – die Alternative zum alpinen Skilauf

Nichts für Pistenfans, aber genau das Richtige für begeisterte Wandersleute.

von Radu Gotta

Es gibt genug Skiläufer, denen um eine Zeit der ewig-gleiche Pistenzirkus sozusagen zum Hals raushängt. Desgleichen gibt es viele Wanderer, die auf ihr Hobby auch im Winter nicht verzichten wollen. An all diese wenden wir uns im vorliegenden Artikel und laden sie ein: Komm mit zum Skiwandern!

Was ist eigentlich Skiwandern? Nun, der Name sagt es schon klar genug: Wandern mit untergeschnallten Skiern. Wohlgemerkt, es handelt sich nicht um Skilanglauf auf präparierten Loipen, mit schmalen, leichten Bretteln an den Füßen, sondern um zünftige Wanderungen, die man, der schneereichen Jahreszeit wegen, eben nur auf Skiern bewältigen kann.
Warum Skiwandern? Um dem ewigen Einerlei des Pistenrasens und den Warteschlangen an den Liften zu entgehen; um mehr und vor allem ständig in Bewegung zu sein; um durch die Anstrengung des Steigens (sei es mit den Bretteln an den Beinen, sei es mit ihnen auf der Schulter) die Lungen besser zu durchlüften und die Muskeln mehr zu fordern; um vom Sommer her bekannte und beliebte Wege auch mal im Winter zu begehen; um durch den ständigen Wechsel der Landschaft auch dem Auge eine Freude zu gönnen; um sich selber zu beweisen, dass man alles, was man seinerzeit gelernt hat, wie die verschiedenen Steigarten, das Fahren in abwechslungsreichem Gelände mit qualitativ verschiedenen Schneearten usw., usf. noch immer beherrscht. Kurzum: Wer gerne skiwandert, der tut es aus Spaß am Skilauf und aus Freude am Wandern.
Was gehört zum Skiwandern? Ein paar gute Tourenskier, normal lang, mit Stahlkanten. Die Bindungen müssen das Schreiten, also das Heben der Ferse, erlauben. Die Stöcke sollen länger als normal sein (etwa bis zur Achselhöhe), mit großen Tellern, damit sie im lockeren und tiefen Schnee nicht zu tief einsinken, sondern Halt gewähren. Als Fußbekleidung sind einfache Skischuhe (geschnürt) zu tragen, denn der Fuß braucht eine gewisse Bewegungsfreiheit. Die übrige Ausrüstung ist die übliche. Zusätzlich ist es gut, Gamaschen zu tragen, da man im Tiefschnee dadurch besser vor Nässe geschützt ist. Der Rucksack muss mittels Bauchriemen festgeschnallt werden, und gegen das allzu helle Licht sind Skibrillen unerlässlich. Seehundsfelle (wohl dem, der noch welche hat!), unter die Skier geschnallt, erleichtern das Steigen beträchtlich. Neuerdings gibt’s Schuppenskier, die erfüllen denselben Zweck, sind also ideal zum Wandern.
Worauf muss man beim Skiwandern achten? Man muss die Wanderung richtig planen, die Route entsprechend der Jahreszeit und den Schneeverhältnissen aussuchen und nach Möglichkeit bereits begangen haben. Man suche sich einen Schönwettertag aus, um sich genau orientieren zu können; außerdem ist Wandern nur bei guten Sichtverhältnissen ein Genuss. Man muss sich die Zeit so einteilen, dass man vor Einbruch der Dunkelheit zurück ist oder in einer Berghütte unterkommt. Man muss die lawinengefährdeten Hänge kennen und meiden. Man soll sich nie mehr zumuten, als man imstande ist, d. h. man soll seine Möglichkeiten nicht überschätzen und die Grenzen seines Könnens kennen. Und vor allen Dingen: Man soll nie allein losziehen!
Wo kann man skiwandern? Eigentlich überall, wo genügend Schnee liegt, in der Ebene genauso gut wie im Hügelland und in den Bergen. Schöner ist es natürlich dort, wo die Landschaft abwechslungsreicher ist. Und welche Genugtuung, wenn man nach einem wenn auch ermüdenden Aufstieg oben die schöne Aussicht genießt und dann eine herrlich lange Abfahrt vor sich hat. Dementsprechend könnte man in all unseren Bergen und Hügeln passende Wanderwege finden. Sie alle aufzuzählen, wäre zuviel verlangt. Wir wollen nur die Gegend rund ums Prahovatal erwähnen, da, wo unsere ausländischen Gäste hauptsächlich Urlaub machen. Da wäre erst einmal die Schulerau (Poiana Braşov), dann das Gebiet rund um Predeal, der Diham, das Baiu-Massiv, das Bucegi-Plateau... und nicht nur das Plateau, wie nachfolgender Beitrag exemplifiziert.

Babe – Peştera auf Umwegen

Es ist ein schöner Apriltag, und darum entschließen wir uns zu einer Skiwanderung. Schnell sind wir per Kabine aus Buşteni oben bei der Babele-Hütte. Wir könnten, um zum Hotel Peştera zu gelangen, den wohlbekannten Skihang über den Piciorul Babelor hinuntersausen; aber genau das wollen wir nicht. Wir wollen ja skiwandern und nicht im Abfahrtslauf üben.
Also ziehen wir vorerst mal bergauf, immer den Stangen nach, die den Weg zum Omul kennzeichnen. Nach etwa einer Stunde – zwischendurch gab es auch mehrere kleine Abfahrten – gelangen wir in einen Sattel: Curmătura Sugărilor (2300 m). Eine schöne Aussicht belohnt unsere Ausdauer: rechts die Coştila-Flanke, vor uns die Moraru-Zacken, weit dahinter Predeal und der Hohenstein, links der Omul. Hinter uns, sozusagen parallel zu unserem bisherigen Weg, zu Füßen der beiden Obârşiei-Gipfel, das Sugărilor-Tal, unser nächstes Ziel.
In weiten Schleifen fahren wir hinab. Da das Wetter so schön ist und wir noch sehr viel Zeit haben, machen wir einen Abstecher in den Sattel zwischen den Gipfeln Obârşia und Colţul Obârşiei. Von dort können wir das Obârşia-Tal einsehen und jenseits davon den Doamnele- Kamm. Sofort wittern wir Neuland für weitere Skiwanderungen. Nun aber geht’s zurück zur Talsohle. Die halbe Stunde, die uns der Abstecher gekostet hat, ist nicht der Rede wert.
Gemächlich fahren wir nun talab, in weiteren oder engeren Bögen, jeder entsprechend seinem Können. Ab und zu tauchen in den steinigen Hängen zu unserer Rechten Gämsen auf, die ebenso schnell auch wieder verschwinden, um aus sicherer Entfernung verwundert auf diese komischen Lebewesen zu schauen.
Das Tal wird allmählich breiter, die Hänge rechts und links scheinen zu wachsen, das Gefälle wird sanfter. Um eine Zeit sehen wir rechts eine verlassene Sennhütte. Das ist der rechte Ort für eine Rast und einen Imbiss. Wir sitzen in der warmen Sonne vor der Hütte und genießen die große Stille.
Mit neuen Kräften geht’s dann weiter. Bald stoßen wir auf das blaue Band, das vom Hotel Peştera durchs Obârşia-Tal zum Omul führt. Wir wenden nach links in Richtung Peştera und sehen auch schon die Talstation der Kabinenbahn Peştera-Babele. Unser Skivergnügen endet aber, noch ehe wir dahingelangen. Der Schnee ist alle, um uns herum nichts als Krokus. So haben wir eine Fahrt aus dem Winter in den Frühling gemacht.
Mit geschulterten Skiern und Krokus-Sträußchen in den Händen gelangen wir zur Kabine, die uns zurück zu den Babe bringt. Es ist früher Nachmittag, die Sonne scheint noch hell, da bleiben wir noch ein Weilchen hier oben sitzen. Unsere Blicke fliegen frei bis weithin. Die Sicht ist gestochen scharf. Lebhaft besprechen wir unsere abenteuerliche Fahrt, tauschen Eindrücke aus, kritisieren die allzu forschen Schussfahrten des einen, belächeln die „artistischen“ Stürze eines anderen, stellen einstimmig fest, dass es „stramm“ war und machen deshalb auch schon Pläne und Vorschläge für den nächsten Skiwandertag.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 87, S. 218 – 222)

Seite Bildunterschrift
 
219 Auch solchen bizarren Schnee- und Eisgebilden kann man während einer Wintertour begegnen.
221 Kartenskizze
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