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Historisches auf abgelegener Route

Eine Fahrrad-Tour zur Colţeştier Burg im Trascău-Gebirge

von Reinhold Gutt

Eine „terra incognita“ sind die Siebenbürgischen Westkarpaten schon längst nicht mehr. Auch vom Touristischen her nicht. Vom Frühling bis in den Spätherbst wandern Urlauber – einzeln oder in Gruppen – durch dieses „Land“ (Ţara moţilor), meist von den zahlreichen, historisch so bedeutsamen und von viel Romantik umwobenen Gebirgsorten angezogen.
Mitte Juli werden regelrechte Massenausflüge auf den Găina-Berg zum berühmten „Brautmarkt“ veranstaltet. Wenn der ehemalige Treffpunkt der heiratswilligen Mädchen und Jungen aus den umliegenden Ortschaften längst nicht mehr das ist, was er einmal war, kommen die Ausflügler doch auf ihre Rechnung: Das große Volksfest mit seinen wunderschönen Trachtenschauen, mit viel Musik, Tanz und Jahrmarktstrubel findet kaum seinesgleichen; die Landschaft ist reizvoll und eines der schönsten Wandergebiete.
Die meisten Ausflügler wenden sich dem zentralen Teil der Siebenbürgischen Westkarpaten zu, wo sie Karstphänomene antreffen wie die Scărişoara-Höhle, oder die Cetăţile Ponorului, obwohl dieses Massiv auch in seinen extremen Abschnitten Interessantes aufzuweisen hat.
Der südöstliche Teil der Westkarpaten – die Trascăuer Berge – erstrecken sich auf ungefähr 75 km Länge, sind im Norden vom Arieş-Tal und im Süden vom Ampoiu-Bach begrenzt und verlaufen fast parallel mit dem Mureş-Tal. In diese Berge und in die gleichnamige Senke führt unsere Radtour. Wir sind aus Sibiu abgefahren, verlassen bei Aiud die Fernverkehrsstraße DN 1 (E 15 A) und radeln auf dem Asphaltband der DJ-107-M-Straße. Flott geht es durch die sauberen Ortschaften Livezile und Poiana Aiudului, und auf einmal verändert sich die Landschaft. An Stelle der fruchtbaren Hügel sehen wir vor uns plötzlich eine Schlucht, die Cheile Poienii oder auch Cheile Aiudului genannt, in deren Steilwänden öfters Alpinisten zu erblicken sind.
Nach kurzer Zeit erweitert sich die Schlucht, als ob ein großer Vorhang vor uns aufgeht und wir sehen die Trascăuer Senke, flankiert von den gleichnamigen Bergen im Osten und vom Bedeleu im Westen.
Die Landstraße schlängelt sich durch die fruchtbare Senke, vorbei an den Ortschaften Vălişoara und Colţeşti (21 km von Aiud). Über dem Dorf Colţeşti erheben sich in westlicher Richtung auf einer felsigen Anhöhe die Ruinen der Colţeştier Burg (auch Trascăuer Burg genannt), die gebieterisch die Landschaft überwacht. Diese Burg, deren Bau ins 13. Jahrhundert zurückreicht, wurde später erweitert, und ist dem Gelände äußerst gut angepasst. Heutzutage kommen nur selten Wanderer vorbei, die wenigen aber bleiben beeindruckt vor dem fünf Stock hohen Bergfried stehen, in dessen Parterre einst die aufständischen Bauern in Fesseln gehalten wurden. Die Burg konnte nicht immer den aufbegehrenden Leibeigenen standhalten. So kam es 1514, dass die Heerscharen unter Gheorghe Doja die Burg in Flammen setzten.
Drei Kilometer nördlich liegt die größere Ortschaft Rimetea. Hier wurde von den Lehrkräften mit Hilfe der Bevölkerung ein Dorfmuseum eingerichtet, dessen Exponate einen Rückblick in verflossene Jahrhunderte gestatten, in ein Kapitel erschütternder Geschichte, als in diesem Gebiet noch Eisenerz aus den benachbarten Bergen geschürft wurde. Mit dem Aufblühen der modernen Eisenerzverarbeitung verfällt dieses Handwerk und hört um 1890 schließlich auf. In einem anderen Saal können alte Trachten und viel Hausrat bewundert werden.
Aus Rimetea erblicken wir den 1130 Meter hohen Gipfel der Piatra Trascăului, auch Piatra Secuiului genannt. Wer die Mühe nicht scheut, die steile Anhöhe zu besteigen (1 – 1 ½ Stunden Zeitaufwand), wird oben auf dem Kalkplateau eine wunderbare Aussicht genießen. Hier stößt man auf einen markierten Wanderpfad – rotes Band –, welcher aus der Gemeinde Moldoveneşti im Arieş-Tal aufsteigt.
Von Rimetea sind es noch 7 km bis nach Buru im Arieş-Tal zur Landstraße Turda – Câmpeni. Dem Touristen bieten sich Fußwanderungen in alle Windrichtungen: zur Turdaer Schlucht, zur Höhle Huda lui Papară oder hinauf zur Felsenregion Scărişoara-Belioara.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 86, S. 225 – 228)

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