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Bucegi / Coştila / Peretele Gălbinelelor

Der „Große Überhang“

Toma Boerescus schönstes Geschenk an die Kletterfans

von Walter Kargel

Toma Boerescu ist nicht mehr – einer der größten Pioniere des extremen Kletterns in Rumänien ist 1975 von uns gegangen. Doch Hunderte Bergsteiger gehen jeden Sommer seinen Weg, den „Großen Überhang“ („Marea Surplombă din Peretele Gălbinelelor“), eine reine Genusstour im eisenfesten Konglomerat der Gălbinele-Nordwand. Die Schwierigkeiten übersteigen nicht den IV. Grad der UIAA-Skala, der Überhang selbst und die folgende Seillänge weisen künstliche Passagen auf (A1).
Die Geschichte der Erstbegehung ist bemerkenswert und bezeichnend für den rumänischen Alpinismus, der damals noch in seinen Kinderschuhen steckte.
1935 wurde der erste Durchstieg der Gălbinelewand durchgeführt, von N. Baticu und Gefährten. Schon 1936 wurde das zweite Ziel dieser Wand angegriffen: der „Große Überhang“. Eine Sechserseilschaft, geführt von Nae Dimitriu, machte den Anfang und gelangte bis unter den Überhang. Dieser selbst schien unüberwindbar. Man seilte ab und nannte die Fahrt „Extrema Vestică a Peretelui Gălbinelelor“.
Erst 1938 gelang es Toma Boerescu, den Überhang selbst zu bezwingen. Als der letzte oben war, war es bereits spät am Tage und man hatte vorerst genug. Also querte man auf gestuftem Fels und auf Bändern nach rechts und erreichte auch bald glücklich die Kaminrinne „Hornul Coamei“. Es blieb einem Gefährten von Toma, Dan Popescu, vorbehalten, am nächsten Sonntag wiederzukehren und das Werk zu vollenden. Man querte diesmal aus dem „Hornul Coamei“ nach links und nahm die Kletterei von der Stelle auf, wo man sie unterbrochen hatte. Zwei schöne Seillängen führten von da zum Ausstiegsband auf der „Coama de Piatră“ (Coştila-Gălbinele-Kante).

Ausrüstung: Zwei 40-m-Seile, 16 Karabiner, Steigleitern. Die notwendigen Haken stecken alle, zur Sicherheit nimmt man noch einige zusätzliche Haken mit, besonders für die Standplätze.

Ausgangspunkt: Buşteni (880 m) im Prahovatal, an der Bahnlinie Bukarest – Braşov.

Stützpunkte: Căminul Alpin (900 m) in Buşteni, Ganzjahrbetrieb. Refugiul Coştila (1670 m), 1 ¼ Stunden ab Buşteni auf markiertem Weg.

Aufstieg: Ab Refugiul Coştila steigt man auf gut ausgetretenem Steig in westlicher Richtung, überquert den felsigen Kamm rechts und gelangt so in die Gălbinele-Hauptrinne. Nun entweder diese unmittelbar hoch (wegen der leichten Orientierung für Gebietsneulinge vorzuziehen) oder auf einer etwas komplizierten, doch technisch leichteren Route zwischen der Haupt- und der Nebenrinne empor. Die beiden Varianten vereinigen sich auf der Höhe von Andrei Ghiţescus Kreuz, worauf bald die Einmündung des von links abfallenden „Hornul Coamei“ erreicht wird. Rechts ist die kleine Höhle „Hotel Gălbinele“ zu erkennen (1 Stunde ab Refugiul Coştila, etwa 2100 m). Nun den „Hornul Coamei“ empor zum Einstieg.

Route: Die Gălbinele-Nordwand begrenzt die Gălbinele-Rinne links. Sie wird von der Coştila- Gălbinele-Kante gekrönt und reicht im Westen bis zum „Hornul Coamei“. Der Einstieg befindet sich im „Hornul Coamei“ etwa 150 m über dem Rinnenboden und wird von einer bequemen Terrasse rechter Hand gekennzeichnet. Hier seilt man sich an.
Seillängen: 1. Quer links über „Hornul Coamei“ und eine Felsstufe hoch (1 Haken) auf ein breites Felsband (40 m, II, Stand an einem Felsbrocken). 2. Einige Meter leicht links auf dem Band, wo rechts eine markante Spalte ansetzt. Kein Standhaken! 3. Die Spalte empor zum Stand (40 m, III). 4. Links empor über eine Platte, zuletzt führt eine geneigte Verschneidung (Haken) unter das Dach (35 m, III). 5. Links unter dem Dach eine Platte queren, bis das Dach zu Ende ist. Nun einen kurzen Kamin empor (Haken) zum Stand (20 m, IV, A1). 6. Links haltend empor. (Rechts sind die Haken sichtbar, die zum „Hornul Coamei“ führen! Siehe Einleitung.) Ein versteckter Haken sichert das Hochklimmen. Eine senkrechte Platte wird mittels dreier Haken links steigend gequert. Klimmzug zum Stand auf einem Band (30 m, IV, A1). 7. Am Band links und einen Riss empor (Haken). Zuletzt in freier Kletterei über geneigte raue Platten dem Ausstiegsband zu, bis das 40-m-Seil aus ist. (Kein Standhaken! 40 m, IV). Nun seilfrei weiter am Ausstiegsband nach links zum Grat („Coama de Piatră“ = Creasta Coştila – Gălbinele). Direkt am Grat oder links über Latschen- und Alpenrosenmatten empor zum „Großen Coştila-Band“ („Bârna Mare a Coştilei“).

Abstieg: Variante 1 (meist gebraucht). Dem gut ausgetretenen Saumpfad nach rechts (Norden) folgend, erreicht man leicht absteigend die Scoruşi-Rinne. Den Trittspuren in scharfem Abstieg über Alpenrosenmatten folgend, gelangt man unter die Gălbinele-Scharte. Empor zur Scharte und jenseits (Osten) hinab in die Gălbinele-Hauptrinne und über diese zum Refugiul Coştila. Variante 2. Dem gut ausgetretenen Saumpfad nach links (Süden) folgend, erreicht man den höchsten Punkt des Bandes („Creasta Văii Albe“). Nun rechts eine flache, kurze Rinne empor („Hornul lui Jilipeanu“) zum Coştila-Gipfelplateau (2480 m). Über das Plateau, an der Gipfelstation vorbei, gelangt man, sich immerzu westlich haltend, auf die Bucegi-Autostraße und dieser folgend zur Babele-Schutzhütte 2200 m).

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 76, S. 273 – 275)

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274 Anstiegsskizze Großer Überhang
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