home - Komm mit - 1972 - Caş, burduf und jintiţă
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Caş, burduf und jintiţă

Ein Arbeitstag in einer Sennhütte im Căpăţâna-Gebirge

von Alfred Schuster

Auf dem Weg lernte ich Adam kennen. Er hoch zu Ross, einen Zwerchsack vor sich, aus dem zwei Welpen knurrten, und hinter ihm noch zwei Pferde und vier Esel, alle schwer bepackt mit leeren Käsebottichen, Säcken voll Maismehl, Salz und Gemüse. Oben auf einem der Esel ein Korb mit jungen Gänsen, die laut schnatterten, denn so eine Reise ist doch etwas Aufregendes. Als letzte ging eine junge Frau, hübsch, hochgewachsen und mit Wangen so rot, wie sie nur Vaideenier haben können. Auf dem Rücken trug sie einen Säugling in einem länglichen Korb, der auch als Bett und Hängewiege benützt wird.

Die Vaideenier, deren Heimatgemeinde nördlich von Horezu liegt, sind die bekanntesten Hirten in den Bergen südlich des Lotru. Sie sind Siebenbürger (Transsilvanier), die sich vor mehr als 200 Jahren in der Nordoltenia niederließen, nennen sich auch heute noch ungureni und nicht olteni, und haben neben ihren alten Brächen auch einige der neueren Heimat angenommen.
Nach mehrstündigem Marsch (die Frau durfte von Zeit zu Zeit auch reiten, obwohl es ihr nach Adams Meinung schaden würde) kamen wir am späten Nachmittag bei der stâna (Sennhütte) an, wo er zusammen mit zwei Schwägern und seinem Vater „gazdă“ war. (Gazdă ist eine Herdenbesitzerfamilie, die ihre Schafe selber bewirtschaftet.)
Er erzählte, dass sie, die Schafbesitzer, eigentlich vier gazde sind, die zwar ihre Schafe gemeinsam weiden, dass aber jeder seine eigenen melkt und seinen eigenen Käse macht. In der stâna führt jeder seine eigene Wirtschaft (dieses ist bei den Vaideeniern allgemein üblich).
Im Frühjahr steigt der Hirte und baci (Senner) zur stâna auf, mit Frau und Kind, Schafen, Pferden, Eseln, Schweinen und Geflügel, und von allen Hunden bleibt nur einer zu Hause. Wenn die Kinder zur Schule gehen, kommen sie nur in den Ferien zur stâna. Vor der stâna wimmelte es von Kindern, einige konnten kaum laufen, während die größten in der strungă (Pferch) standen und die Schafe zu den Durchschlüpfen trieben, wo sie einzeln zum Melken rangelassen wurden.
Drei Männer und eine ältere Frau, Adams Schwäger, sein Vater und seine Schwiegermutter, melkten jeder seine Schafe und zwischendurch interessierten sie sich nach den letzten Neuigkeiten aus dem Dorf. Ob die Mioara* lui Cocor auch schon ein Kind hat, und ob es wahr sei, dass im Luncavăţ-Tal eine Straße gebaut werde, und das Holz nicht mehr mit der mocăniţă (Schmalspurbahn) transportiert werde. Dieses und anderes mehr wollten die Alten wissen. Aber auch die Kinder stellten neugierig Fragen, die jedes Mal mit einem „la joacă!“ („geht spielen!“) beantwortet wurden.
Nachdem die frisch gemolkene Milch in großen Kesseln über dem offenen Feuer hing, wurde auch die junge Mutter begrüßt und willkommen geheißen und ihr erstes Kind mit ihr und seinem Vater verglichen.
In der Zwischenzeit hat Adam seine Pferde und Esel abgesattelt, die Ecke, in der er mit seiner Familie hausen wird, notdürftig eingerichtet, und war recht stolz, der Mittelpunkt des Abends zu sein, da er auch noch einen Gast mitgebracht hatte.
An diesem Abend lernte ich das erste Mal die Hirten von Vaideeni bei sich zu Hause kennen. Es war nicht das letzte Mal, dass ich mit ihnen am Feuer saß und die Nacht draußen in einem cojoc (Schafpelz) verbrachte, da ich meinen Schlafsack nicht bei mir hatte.
Der Tag bei einer stâna beginnt mit dem Hellwerden. Die Schafe werden in die strungă getrieben und gemolken. Nach dem Melken wird gegessen, meistens mămăligă (Maisbrei) mit Käse und Milch oder saure jintiţă dazu getrunken (jintiţă wird aus der Magermilch gemacht, die zum Sauerwerden gestellt wird, und der das geronnene Milcheiweiß – die urda – noch nicht entzogen wurde). Dann bekommt jeder Hirte sein Mittagessen in die traistă (Brotsack) und los geht’s! Die jüngeren Hirten – ciobănaşi genannt – gehen mit den sterpe (das sind die mioare, die trockenstehenden und unfruchtbaren Schafe), den miei (Lämmern) oder mit den Böcken, die immer in den höher gelegenen Regionen weiden, wo das Gras minderwertiger ist. Die anderen treiben die Milchschafe jeden Tag in eine andere Richtung und kommen nachmittags wieder zum Melken zurück.
Kaum sind die Hirten fort und die Kessel voller Milch zum Kochen aufgehängt, beginnen die Kinder sich aus ihren Pelzen zu schälen. Ein Jauchzen, Weinen und Streiten sowie das Rufen nach der Mutter geht los. Die Geduld der Frauen ist begrenzt, denn in der immer wärmer werdenden Milch muss ständig mit einer Reisigrute gerührt werden, damit sich nichts ansetzt und anbrennt.
Wenn die Milch kocht, wird ein wenig cheag (Labferment) hineingetan, damit sie gerinnt; dann wird alles in ein Tuch geschüttet, das samt seinem Inhalt unter eine Presse aus Brettern und Steinen kommt, damit das Wasser ausrinnt. Jetzt erst haben die bace (Sennerinnen, die in der Mărginimea Sibiului băciţe genannt werden) Zeit für ihre Kinder und Gäste.
Ich interessierte mich nach der Herkunft des cheag und erfuhr, dass er aus dem Magen der knapp eine Woche alten Lämmer genommen wird, die zu diesem Zweck geschlachtet werden. Es ist eine fettig-schleimige Substanz, welche die Milch im Lämmermagen gerinnen lässt, damit sie verdaut werden kann.
Wenn die Hausherren, die Besitzer der Schafe, nicht mit den Hirten zum Hüten gehen, halten sie sich vor der stână bei einem Schwatz auf oder reparieren irgend etwas, wenn sie nicht gerade vorhaben, einen Transport Käse ins Dorf zu führen, oder aus anderen Gründen nach Hause gehen. Meistens sind sie unterwegs oder im Dorf, denn auch dort muss das bisschen Boden bearbeitet und andere Dinge müssen in Ordnung gebracht werden.
Während die Männer den Vormittag auf ihre Art verbringen, verrichten die Frauen ihre Arbeit. Die Kinder werden gefüttert und hinausgejagt. Dann beginnt im Nebenraum oder in einem abseits gelegenen Bau, in dem der Käse gemacht und aufbewahrt wird, das Käsemachen.
Der am Vortag angesetzte Frischkäse, caş genannt, wird in ungefähr ein Kilogramm große Würfel geschnitten und in Bottiche eingelegt, in die später Salzwasser gegossen wird – damit sich der so genannte Telemea-Käse bildet.
Die Vaideenier machen anfangs nur Telemea-Käse und erst im August beginnen sie mit der Erzeugung des Burduf-Käses (burduf = Balg, in den der besonders würzige Käse gesteckt wird). Hingegen machen die Bewohner der Mărginimea-Sibiului den ganzen Sommer über Burduf-Käse.
Im Herbst, wenn der Burduf-Käse hergestellt wird, gibt es mehr Arbeit. Der caş muss zuerst das ganze überflüssige Wasser abgeben und wird demnach 8 – 12 Tage lang an der Luft gehalten, dann durch den Fleischwolf, der jetzt zum Käsewolf wird, gedreht, eingesalzen, gut geknetet und fest in den Balg oder in Blasen gepresst. Für den Hausgebrauch als Delikatesse werden der Burduf-Käse und die gesalzene urdă statt im Käsebalg in Tannenrinde aufbewahrt. Sie erhalten dadurch ein besonderes Aroma.
Im Herbst (seltener im Sommer) stellen die Vaideenier und die anderen Hirten der Gegend auch den Schafjoghurt – lapte covăsât genannt – her. Die fette Milch wird aufgekocht und in bis 25 Liter große Bottiche geschüttet, eine Messerspitze Sauermilch dazugegeben und dann in Pelze gehüllt, damit sie langsam abkühlt. Nach einer Woche, wenn diese Milch fest wie Grütze ist, wird der Bottich mit einem Deckel verschlossen und erst im Winter gegessen.
Zum Mittagessen wurde ich oft eingeladen. Und man soll nicht denken, es sei ein eintöniges Angebot von Käse und mămăligă. Jeden Tag gibt es Suppe, die den Hirten am Spätnachmittag oder am Abend, wenn sie mit den Schafen zur stâna kommen, vorgesetzt wird. Mal Tomatensuppe mit Reis oder Nudeln, dann Gemüsesuppe oder Fischsuppe – ja sogar Paketsuppe!
Wenn frisches Fleisch vorhanden ist, was nur dann vorkommt, wenn ein Bär ein Schaf gerissen hat, ohne es mitzunehmen, oder Geflügel geschlachtet wird, dann gibt es Fleischbrühe. Als zweiter Gang wird meistens la tigaie (in der Pfanne) gemacht. In einer tiefen Pfanne mit drei Beinen, damit sie auf den Kohlen stehen kann, wird unter ständigem Rühren Käse geschmolzen, der dann mit mămăligă gegessen wird.
Balmoş – das Festessen der Hirten und Senner – wird selten zubereitet. Einmal war ich Gast bei einer stâna, wir aßen Fischsuppe, und die Sennerin war dabei, la tigaie zu machen. Da ging die Türe auf und ihr ältester Sohn stand da. Er war sich verabschieden gekommen, denn er sollte wieder zur Schule in die Stadt. Da begannen die zwei Kleinen bei der Mutter zu betteln, sie solle doch einen balmoş machen.
Zuerst wurde Butter in der Pfanne geschmolzen, dann Milchrahm, und an nichts wurde gespart. Als alles flüssig war, kam Burduf-Käse dazu. Als in der Pfanne eine fette Masse glänzte, wurde etwas jintiţă und Maismehl darüber geschüttet, damit das Essen fest und nicht zu fett wird. Es schmeckt so gut, dass nach dem Essen das Kinn, die Backen, das Antlitz vor Fett glänzen. Sogar meine Frau, die den Zubereitungen zunächst mit einiger Zurückhaltung zugesehen hatte, konnte dem balmoş nicht widerstehen.
Nach dem Mittagessen gehen die Frauen Brennholz sammeln oder stricken und häkeln, bis die Herde zum Melken kommt. Abends sitzt man meistens am Feuer, und wenn die Hirten wieder zu ihren Schafen gehen, kriecht alles auf die harten Holzpritschen, wickelt sich in einen cojoc und schläft bis zum Morgengrauen.
Oft hab ich mit ihnen am Feuer gesessen. Die Frauen legen sich meistens schlafen, aber die Männer interessieren sich nach den letzten politischen Ereignissen und erzählen immer wieder von ihrem Militärdienst, das einzige Mal, wo sie für längere Zeit von ihren Schafen fort waren. Die Alten erzählen begeistert vom ersten Weltkrieg, und wenn einer bei Mărăşeşti mitgekämpft hat, so ist er auch heute noch ein Held, während die Söhne, die den zweiten Weltkrieg miterlebten, stillschweigend darüber hinweggehen. Die ganz Jungen dürfen schon gar nichts sagen, sonst werden die Alten böse, schicken sie hinaus zu den Schafen und wickeln sich, wie Bären brummend, in ihren cojoc. Sie lassen sich nicht gerne von den jungen Halbgegorenen den Abend verderben – zumal wenn neue Zuhörer dabei sind, die ihre Geschichten noch nicht kennen.

* Mioară = Maria. Mioară werden aber auch die einjährigen Jungschafe genannt; miel = Lamm.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 72, S. 129 – 133)

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130 Dem Herrn begegnet man gern, dem Hund nicht immer.
131 Domnule, das waren Zeiten.
132 Geräte in einer Sennhütte
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